«Die Stärke der Regio Energie Solothurn ist bestimmt ihre regionale Verankerung»
Wenn Kurt Fluri als Stadtpräsident von Solothurn aufhört, endet auch seine
Tätigkeit als Verwaltungsratspräsident der Regio Energie Solothurn. Ein Gespräch darüber,
wieso das Unternehmen damals entstand und welche Fragen heute so anstehen.
Als Sie Stadtpräsident wurden, gab es die Regio Energie Solothurn noch gar nicht. Die Städtischen Werke Solothurn waren eine vollständig in die Stadtverwaltung integrierte Abteilung. Und Sie waren, damals noch als Gemeinderat, nicht ganz unschuldig an der Veränderung…
Kurt Fluri: 1992 reichte ich eine Motion zur Verselbstständigung der Städtischen Werke ein. An einer meiner ersten Gemeindeversammlungen als Stadtpräsident wurden sie dann ausgegliedert. Der Grund war der sehr hohe Investitionsbedarf mit den Plänen, das Gasnetz auszubauen. Die öffentliche Hand verlangte damals, dass man das ökologische, wertvolle Erdgas möglichst schnell in der Stadt «verteilt». Darauf wurde ins Erdgasnetz investiert, und wir sahen, dass wir wegen dieser Investitionen immer wieder Gemeindeversammlungen hätten durchführen müssen. Denn die Finanzkompetenz des Gemeinderats hätte bei diesen Millionenbeträgen nicht ausgereicht. Der zweite Grund war, dass die Politik immer mehr nach den Gewinnen greifen wollte, welche die damaligen Städtischen Werke erzielten.
Eine Frage dabei war ja, welche Rechtsform aus den Städtischen Werken werden sollte. Wie kam es zum heutigen Konstrukt?
Wir hatten damals eine Beratungsfirma beigezogen, die uns zuerst eine Aktiengesellschaft vorschlug. Aus ideologischen Gründen wollte man zu dieser Zeit aber keine AG. Eine AG hiess für viele, dass die Aktien an irgendjemanden verkauft werden könnten. Dann würden die Werke nicht mehr uns – der Stadt – gehören. Das wollte man nicht. Auch den Anstrich einer kapitalistischen Gesellschaft, bei welcher es nur ums Geld geht, wollte die Politik nicht. Darum wählten wir die selbstständige, öffentlich-rechtliche Anstalt als Form. Mit dieser Form blieb das Unternehmen genauso beweglich wie als Aktiengesellschaft. Zum Glück hatten wir damals erreicht, dass die Finanzkompetenz über das Budget beim Verwaltungsrat liegt, jene über die Rechnung aber bei der Gemeindeversammlung.
Erinnern Sie sich überhaupt noch, wie das damals war?
Die letzte Werkkommission, die vom damaligen Stadtpräsidenten Urs Scheidegger präsidiert wurde, wurde zum ersten Verwaltungsrat, dessen Präsident ich dann wurde. Das Gremium bestand unter anderem aus erfahrenen Ingenieuren und war zwar parteipolitisch besetzt, aber nicht von parteipolitischen Diskussionen geprägt. In den ersten Jahren nach der Verselbstständigung konnte das Unternehmen noch völlig unbehelligt von der Politik handeln.
Die Politik nimmt zunehmend Einfluss auf die Energiebranche. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
Das war schon nach etwa zehn Jahren in der Geschichte des Unternehmens so. Mit der Ökologisierung der Politik wurde immer mehr hinterfragt, ob wir in der Regio Energie Solothurn diesbezüglich genügend unternehmen. Wir hatten weiter ins Erdgasnetz investiert, doch plötzlich geriet Erdgas in Verruf. Wir hatten auch, ohne dass wir von der Politik dazu aufgefordert worden wären, ins Fernwärmenetz investiert. Die Regio Energie Solothurn hat sich aus einem Engagement in einem Kohlekraftwerk in Deutschland zurückgezogen, ist aber an einer Windkraftanlage in der Ostsee beteiligt. Und nun kommt die Dekarbonisierung (die Umstellung auf Energien ohne Einsatz von Kohlenstoff bzw. CO2) und damit verbunden der Vorwurf, wir würden hier zu wenig machen. Dass die Politik vermehrt Einfluss nimmt, ist ein Problem, das alle industriellen Betriebe in der Schweiz haben. Das widerspiegelt den Drang von Politikerinnen und Politikern, mit dieser Dekarbonisierung unrealistisch schnell vorwärtszumachen. Schon im
Rahmen der Elektrifizierung des Energiebereichs stand das Unternehmen im Fokus, konnte da aber aufzeigen, dass mit Elektroladestationen in der ganzen Region etwas in diesem Bereich unternommen wird. Das wiederum löste Kritik vonseiten der Konkurrenz aus, man mache hier Geschenke.
Zum Stichwort «Energieunternehmen und Politik»: Die Eignerstrategie, in welcher die Stadt definieren will, wie ihr Unternehmen ausgerichtet sein soll, befindet sich im politischen Prozess und wurde vor der Sommerpause an den Verfasser zurückgeschickt. Wo stehen wir hier?
Aus meiner Sicht weiss die Politik nicht, was sie mit der Eignerstrategie will. Am liebsten würden einige wohl eine Unternehmensstrategie formulieren, auch wenn gesagt wird, man wolle dies nicht. Ein Teil des Gemeinderats möchte am liebsten die Statuten anpassen, was aber Sache der Gemeindeversammlung wäre. Ein anderer Teil des Gemeinderats liebäugelt damit, die Regio Energie Solothurn teilweise wieder in die Stadtverwaltung zu reintegrieren. Ein weiterer Teil möchte aus dem Unternehmen eine Aktiengesellschaft machen, damit sich andere Gemeinden beteiligen können. Gegenwärtig ist die Situation viel verworrener als damals 1993. Dazu kommt, dass die Parteien nicht Einfluss über «ihre» Verwaltungsräte nehmen, sondern mittels Motionen im Gemeinderat, und das finde ich nicht gut.
2003 wurden Sie als Nationalrat gewählt, und Sie hatten auf nationaler Ebene mit Energiefragen zu tun. Hat sich dadurch Ihre Arbeit als Verwaltungsratspräsident der Regio Energie Solothurn verändert? Oder barg die Doppelrolle – bzw. Dreifachrolle als Stadtpräsident – auch Schwierigkeiten?
Nein. Ich habe meine Interessen immer offen deklariert und war ja auch nie persönlich betroffen, weshalb ich in den Ausstand hätte treten müssen. Kritisch war eher, dass ich viele Jahre noch Vizepräsident der AEK war. Das ist ein Relikt der «alten» Welt, als die Stadt ausschliesslich durch die Regio Energie mit Elektrizität versorgt wurde und die Region ausschliesslich durch die AEK. Mit der Liberalisierung war dies nicht mehr haltbar.
Die Energiebranche hat sich in den letzten 20, 30 Jahren stark verändert. Was, würden Sie sagen, waren die wegweisendsten Entscheidungen des Verwaltungsrats in dieser Zeit?
Wegweisend war sicher die Verselbstständigung selbst. Auch die Firmen- und Markenänderung, die wir gemeinsam mit Felix Strässle realisiert haben, war ein wichtiger Entscheid. Mit ihm entstand die Idee dieser Regio Energie Solothurn mit dem heutigen Logo und den Farben. Damals bauten viele auf die Region: Region Solothurn Tourismus, Regiobank, Regiomech und eben auch Regio Energie.
Damit wollten wir die Bedeutung für die Region zum Ausdruck bringen. Gleichzeitig war das auch ein Signal an die anderen
Energieversorger in der Region, dass wir uns für die Region öffnen. Gab es weitere Highlights, die Ihnen besonders in Erinnerung sind? Ein weiterer Schritt war die Fernwärme. Dort haben wir viel Geld investiert, ohne damals noch zu wissen, dass das Gasnetz
auch ausserhalb des Fernwärmeperimeters gefährdet sein wird. Ich denke auch an den Röhrenspeicher in Etziken, den wir mit dem Gasverbund Mittelland bauten. Das Hybridwerk und die Ladestationen für Elektrofahrzeuge waren bestimmt weitere Etappen in dieser Zeit.
Macht Ihnen in Bezug auf die Arbeit des Unternehmens etwas Bedenken?
Die politische Entwicklung macht mir Sorgen. Auch die unbegründete Angst, die Regio Energie Solothurn würde das Gewerbe konkurrenzieren. Wir haben zwei Firmen übernommen, die von sich aus nicht mehr hätten bestehen können. Sie wurden aber bewusst nicht in die Regio Energie Solothurn integriert, sondern sollen so eigenständig wie möglich sein. Wir sind nicht wie andere Energieunternehmen, die Firmen in der ganzen Region aufkaufen und aggressive Akquisitionspolitik betreiben.
Der Druck in der Energiebranche ist hoch und steigt weiter. Wo sehen Sie die Stärken der Regio Energie Solothurn?
Das ist bestimmt die regionale Verankerung. Das Unternehmen hat einen stabilen Eigentümer. Mir wird immer wieder gesagt, der Name Regio Energie Solothurn stehe in der Region für Seriosität. Wir sind nicht gewinnorientiert, und jeder Franken bleibt im Unternehmen. Die Leute wissen: Hier wird kein Geld verjubelt. Auch das Personal ist natürlich eine grosse Stärke. Wir haben Mitarbeitende, die seit Jahrzehnten bei uns sind und uns treu bleiben.
Wird man an dieser Regionalität auch in Zukunft festhalten können?
Ich denke schon. Die Energieversorgung – Wasser, Elektrizität, Gas, Fernwärme, aber auch eine grosse Kompetenz in der Gebäudetechnik – in der eigenen Region zu haben, ist viel wert. Gewisse Vorhaben möchte man nicht einem kleinen, unbekannten «Budeli» überlassen, aber auch nicht einem billigen Anbieter aus dem Ausland. Man will jemanden, der den Service bieten kann und über den man auch mal wütend sein kann, wenn etwas nicht funktioniert. (Schmunzelt.)
Der Direktor ist neu, bald ist auch Ihr Posten im Verwaltungsratspräsidium neu besetzt. Ein Zeitenwechsel
für die Regio Energie Solothurn?
Ich habe mir zu dieser Übergangsphase viele Gedanken gemacht. Ich selbst konnte ja nicht früher aufhören, und ich habe auch Felix Strässle gesagt, es werde eine Übergangsphase von einigen Monaten geben. Wir wussten damals ja noch nicht, ob ein Aussenstehender neuer Direktor würde oder jemand aus dem Unternehmen. Aber Marcel Rindlisbacher ist seit vielen Jahren im Betrieb, und mit ihm wird es keine Zäsur geben. Wenn ich aufhöre, auch nicht. Diese Konstellation ist aus meiner Sicht komplett ungefährlich.
Nun übergeben Sie in absehbarer Zeit das Verwaltungsratspräsidium Ihrem Nachfolger oder Ihrer Nachfolgerin im Stadtpräsidium. Eine oft gestellte Frage in diesem Zusammenhang ist, was man denn dieser Person mit auf den Weg gebe.
Möglichst die Kontinuität wahren. Das Unternehmen verkraftet keine Zickzackkurse, und ich wüsste auch nicht, wie diese aussehen könnten. Das ganze Konstrukt ist in festen Bahnen, die Investitionsplanung ist gegeben. All unsere Produkte sind langfristig ausgelegt, und ein neues Nebengeschäft etwa würde nicht zur Regio Energie Solothurn passen – abgesehen davon, dass es politisch gar nicht tragbar wäre. Ich würde beispielsweise niemals, wie es in Grenchen passiert ist, ein Tiefbauunternemen integrieren. Das gibt unweigerlich Ärger.
Und was geben Sie als scheidender Stadtpräsident in Bezug auf die Regio Energie Solothurn dem Gemeinderat mit?
Er sollte über die Mitglieder des Verwaltungsrats auf das Unternehmen einwirken, nicht über Motionen. Erstens ist dieses Vorgehen nicht stufengerecht. Zweitens ist es nicht gut, wenn ein solches Unternehmen dem politischen Tagesgeschäft unterworfen wird. Auch von einer überhöhten Abgabe ist abzusehen. Das wäre schädlich.
Sie sind Vollblutpolitiker, haben diese Tätigkeit stets als zum Beruf gemachtes Hobby bezeichnet. Bald können Sie dieses Hobby nicht mehr ausüben. Was machen Sie mit all der frei werdenden Zeit?
Einerseits bin ich ja noch bis 2023 Nationalrat, andererseits folgt ab Oktober mein Verwaltungsratsmandat für die Solothurner Spitäler-AG, für die ich mich an der Generalversammlung 2022 als Präsident zur Verfügung stelle. Ich werde bestimmt nicht mehr gleich viel arbeiten wie jetzt, aber ich werde auch nicht die Musse geniessen. (Lacht.)
Interview: Fabian Gressly
Fotos: Michel Lüthi, bilderwerft.ch/Regio Energie Solothurn