Ein Paradies für Flora und Fauna
In der Energiestadt Solothurn stehen die Bedürfnisse der Tier- und Pflanzenwelt bei
der Bewirtschaftung von Grünflächen an erster Stelle.
Der Klimawandel betrifft nicht nur Wälder, Bergregionen und Gletscher. Auch städtische Gebiete stehen zunehmend vor Herausforderungen. Gerade Tiere und Pflanzen können sich nicht schnell genug an die neuen Bedingungen anpassen, wodurch die Vielfalt verloren geht. Mit gezielter Planung und Pflegekonzepten fördert die Energiestadt Solothurn die Biodiversität auf dem Stadtgebiet. «Biodiversität erfasst verschiedene Lebensformen, nicht nur Pflanzen, sondern auch Tiere, Pilze oder Bakterien», erklärt Daniele Perego, Vorarbeiter der Stadtgärtnerei. «Die Vernetzung, also das Zusammenspiel von Flora und Fauna, ist zentral für das Vorhandensein von Biodiversität.» Besonders das Naherholungsgebiet auf dem Friedhof St. Katharinen ist ein Paradies für die Tier- und Pflanzenwelt. Fast die Hälfte des parkähnlichen, weitläufigen Areals ist Naturraum mit Wiesen, Gehölzen, Hecken und über 350 Nadel- und Laubbäumen, die teilweise mehr als 100 Jahre alt sind. Gerade der grosse Bestand alter Bäume ist wertvoll. «Im Gegensatz zu Jungbäumen bieten sie einen grossen Lebensraum für andere Lebewesen», so Daniele Perego. In den Astlöchern können Vögelnisten, Eichhörnchen finden Unterschlupf, und die grobe, zum Teil aufgeplatzte Rinde bietet ein ideales Zuhause für Insekten.
Verzicht auf Pestizide
Was beim Friedhof beachtet wird, gilt für das gesamte Stadtgebiet: Den alten wie den jungen Bäumen wird Aufmerksamkeit geschenkt, und Grünflächen, die keine Nutzflächen sind, werden extensiv gepflegt. Sie werden lediglich ein- bis zweimal im Jahr gemäht und nicht gedüngt. Was nicht heisst, dass die Arbeit weniger aufwendig für die Stadtgärtner ist. Durch vollständigen Verzicht auf Pestizide müssen Neophyten, also invasive Pflanzen, welche die einheimischen Pflanzen verdrängen, mechanisch entfernt werden. Gewisse Flächen werden vor dem Winter bewusst nicht gemäht. Sie bieten etwa Spinnen oder Feld- und Spitzmäusen Unterschlupf. Auch beim Verwaltungsgebäude der Regio Energie Solothurn befindet sich eine solche grüne Insel. Ein Wildbienenhotel, Totholz und ein Steinhaufen bieten zusätzliche Wohnfläche für Tiere. Mit Informationstafeln und Flyern klärt die Energiestadt Solothurn die Bevölkerung über die Pflegemassnahmen auf. Eine wichtige Vermittlungsfunktion übernimmt auch das Naturmuseum.
Solothurn mit seinen Aktivitäten und Ausstellungen. Schlecht für Flora und Fauna sind hingegen versiegelte Böden. Besonders Buchen und Linden, aber auch die meisten anderen Baumarten leiden, wenn sie etwa zu nah an asphaltierten Strassen stehen. An heissen Sommertagen wird die Hitze vom Asphalt direkt auf die Pflanzen zurückgestrahlt. «Die Temperatur kann dann schon mal bis auf 70 Grad ansteigen. Die Pflanzen müssen sich zusätzlich herunterkühlen und brauchen mehr Wasser, von dem sie wegen der schlechten Sickerfähigkeit versiegelter Böden ohnehin schon zu wenig bekommen», erklärt Daniele Perego.
Kaltluftströme erhalten
In Zeiten von zunehmenden Hitzewellen ist es wichtig, dichte Siedlungsräume wie die Solothurner Innenstadt zu schützen. «Es lohnt sich deshalb, vor baulichen Eingriffen sorgfältig abzuklären, ob beispielsweise keine Kaltluftströme unterbrochen werden», sagt Gabriela Barman, Chefin Stadtplanung/Umwelt und Energiestadt-Koordinatorin. In Solothurn gibt es nicht nur für den öffentlichen Raum Vorgaben zur Pflege von Grünflächen. Mit der Annahme des revidierten Baureglements gaben die Stimmbürger 2020 auch grünes Licht für neue Vorschriften zur Gartengestaltung, die sowohl öffentliche wie private Bauvorhaben betrifft. Die Umgebung soll ökologisch gestaltet und gepflegt werden, hochstämmige Bäume sind zu bevorzugen und bestehende Baumbestände zu erhalten. «Wir stellen fest, dass die Solothurnerinnen und Solothurner zunehmend stärker sensibilisiert sind für das Thema Biodiversität. Es ist entscheidend fürs Stadtklima und freut uns, dass auch sie in ihren privaten Gärten einen wichtigen Beitrag leisten», so Gabriela Barman.
Text: Barbara Graber
Bild: Michel Lüthi, bilderwerft.ch