Der Wein. Die Menschen. Die Wärme.
Fast jeder kennt heute das «Vini-Al Grappolo» in Solothurn. Das verdankt der über 30-jährige Betrieb einer Hingabe zur Italianità und Natürlichkeit – beim Menschen und beim Rohstoff.
An diesem Morgen liegt Italien noch im Schlaf.
Auf Weinblätter, die ihr schützendes Geflecht über den Innenhof legen, tropft leiser Nieselregen. Eine Laune des Sommers, die die Solothurner Vorstadt erreicht hat. Italien in Solothurn? Ja, das gibt es. Denn vor über 30 Jahren hat das «Vini-Al Grappolo» die Italianità in die Aarestadt gebracht, und dort lebt sie seither.
Im «Vini», so die Kurzform des Restaurants mit Vinothek, ist es noch ruhig. Erst in ein paar Stunden, wenn der Regen hoffentlich verschwunden ist, öffnet das Restaurant für die Mittagsgäste. Rolf Schöb, Mitglied der Geschäftsleitung, steht hinter der Bar und lässt einen Espresso durch die Kolbenmaschine laufen.
Italien für jedermann
Rolf Schöb erinnert sich. Obwohl er erst wenige Jahre nach der Gründung des Vini dazugestossen ist, kennt er die gastronomischen 80er-Jahre noch gut. Damals wurden in den «Leuen», «Bären», «Sternen» und «Trauben» des Landes nur Schweizer und französische Weine getrunken, dazu oft nur in eher bescheidener Literqualität.
Dass gerade Italien hervorragende Tropfen abwirft, war nördlich der Alpen noch nicht bekannt. «Auch wenn es heute selbstverständlich klingt, mussten wir damals den Leuten beibringen, dass auch aus Italien guter Wein kommt.»
Und so war es bei einem Ferienaufenthalt im «Belpaese», als die drei Schweizer Markus Hubler (inzwischen verstorben), Joseph Misteli und Jürg Tanner die Idee hatten, italienischen Wein direkt in die Schweiz zu importieren. Das Vini war geboren, zunächst noch als Weinhandlung, die schon bald eine eigene Küche und eine Gaststube erhielt. Wer einen Blick in die aktuelle Weinkarte wirft, bemerkt, dass keine Flasche im Vini mit mehr als hundert Franken zu Buche schlägt.
Nicht selbstverständlich für einen Weinspezialisten, der jüngst sogar vom renommierten «Falstaff»-Magazin ausgezeichnet wurde. Die Preise erklären sich durch den Direktimport. Der Zwischenhandel entfällt. Diesen Preisvorteil gibt das Vini seinen Kundinnen und Kunden weiter. Denn guten Wein zu geniessen, sei längst nichts Elitäres mehr, darum solle sich auch jeder eine gute Flasche im Vini gönnen können. Bloss keine Berührungsängste. «Übrigens», fügt er hinzu und streckt die Hand aus: «Ich bin der Rolf.» Im Vini ist man am liebsten per Du.
Naturprodukte
In der Gaststube werden Tische und Stühle zurechtgerückt. Aus der Küche nebenan drückt Wärme nach draussen. Es ist eng im kleinen Kochabteil, in dem Fabian Vogel schnell von einer Seite zur nächsten wechselt. Auf dem Herd brutzeln Zucchetti-Feta-Tätschli, das vegetarische Mittagsmenü. Unter den schweren Gusseisenpfannen schimmern blaue Flammen. Gekocht wird mit Gas, Biogas, genauer gesagt. Zum Kochen gebe es nichts Besseres, meint Fabian Vogel. Einerseits sei mit Gas die Hitze sofort verfügbar, andererseits koche man eben wortwörtlich auf einer Flamme und könne so wunderbare Röstaromen in die Gerichte zaubern. Wie zum Beweis lässt er etwas Weinsud über den Pfannenrand schwappen, worauf eine Stichflamme die Küche erhellt.
Die Temperatur steigt noch ein paar Grad,
Fabian Vogel lacht und filetiert Fenchelstücke. Warum setzen die Vini-Köche auf Biogas? Nicht nur des Geschmacks wegen, sondern weil überall im Haus das Prinzip der Nachhaltigkeit angewendet wird. Wenn das Gemüse vom Bauern aus der Region kommt, das Fleisch von Schweizer – meist sogar regionalen – Produzenten, warum dann nicht auch die Energie? Bereits vor sieben Jahren hat sich das Vini an das Fernwärmenetz der Regio Energie Solothurn angeschlossen.
Dann kam das Angebot, auf Biogas zu wechseln,
was das Vini nach kurzem Rechnen gerne angenommen hat. Kochen mit Naturprodukten, in der Pfanne und darunter. So das Vini-Motto. Der Bezug zu den Produkten kommt im Vini nicht von ungefähr. Die Namen der Produzenten von Fleisch, Gemüse & Co. sind mehr als Einträge auf der Speisekarte – Fabian Vogel und seine zwei Kollegen Lukas Heutschi und Marcello Brunner in der Küche statten «ihren» Bauern und Metzgern regelmässig Besuche ab. So wissen sie, was wie zustande kommt, und können das Gespräch suchen, sollte die Qualität einmal nicht stimmen. Die Reise zu den Quellen des Genusses bringt dabei nicht nur Gewissheit, sondern auch Inspiration. Immer wieder finden die Köche des Vini auf der ganzen Welt Ideen, die in die Karte des Restaurants einfliessen. Doch trotz dem Blick in die weite Welt und dem festen Stand in der Region: Das Vini bleibt der mediterranen Küche treu.
Kenner von Wein und Winzern
Und dem Wein aus Italien. Immer wieder reist das Vini-Team in den Süden, besucht die Weinbauern, deren Flaschen es in den Norden exportiert und mit denen es häufig eine langjährige Beziehung verbindet. Vom Hinterhofbetrieb bis zur Hochglanzkellerei ist alles dabei, jede Flasche hat ihre Geschichte. So weiss das Vini-Team auch, woher der Wein kommt, den es kredenzt. Denn die Vielfalt, sie ist auch beim Fokus auf ein Land gross: Über 400, je nach Quelle sogar 600 Traubensorten gibt es im Land des Stiefels. Viele wie Barbera, Nebbiolo oder Sangiovese sind in der Schweiz wohlbekannt, andere weniger bis gar nicht. Genau solche Weine will das Vini den Gästen vorstellen. Viele kommen genau deswegen: um Neues zu entdecken. Andere haben bereits ihre Lieblingssorten, die sie immer wieder bestellen.
Herzlichkeit statt Fassade
Wie jedes Restaurant lebt auch das Vini von seinen Gästen. Und mit ihnen. Das Team lebt vor, dass erst die Menschen das Vini zu dem machen, was es ist. Untereinander wird ein humaner Umgang gepflegt und auch dem Gast weitergegeben. Da ist keine Luxusfassade, die bröckelt, sobald etwas nicht nach Plan läuft, sondern Herzblut und Einsatz. Die Gäste danken es mit Treue: Schon längst ist das Vini über Solothurn hinaus bekannt. Das Publikum ist so bunt wie die Weinauswahl: Künstler, Angestellte, Geniesserinnen, Paare. Was sie suchen? «Sicher guten Wein und eine gute Küche », antwortet Rolf Schöb. Er überlegt, fügt dann hinzu: «Und Herzlichkeit.»
Energiezeitschrift (3/2018), Paul Drzimalla